Mehr Öffentlichkeit für Frauen!

Wieso sollten wir jede Möglichkeit ergreifen, um eine Verkehrsfläche nach einer Frau zu benennen? Und wer sind eigentlich Regine Landeis und Helga Pollak-Kinsky?

2024 sind immer noch rund 89 Prozent aller personenbezogenen Straßennamen in Wien nach Männern benannt. Teilweise haben diese sogar Biografien mit NS-Bezug, die eigentlich im Widerspruch zu einer verantwortungsvollen Erinnerungspolitik stehen. Somit sind nur 11 Prozent nach Frauen benannt. Rudolfsheim-Fünfhaus hat hier sogar einen noch schlechteren Schnitt, mit nur 4,76 Prozent. Es ist viel Arbeit, die Geschichten einst bekannter und dann unsichtbar gemachter Frauen zu finden und diese erneut in das öffentliche Gedächtnis einzuschreiben. Es ist auf jeden Fall die demokratische Aufgabe unserer Stadt, auch die vergessenen historisch bedeutenden weiblichen Persönlichkeiten aufzuspüren und in der Öffentlichkeit zu repräsentieren.

Ende 2022 ergab sich die Möglichkeit den neu gestalteten Park am Wieningerplatz zu benennen. Daher konnten die in der Kulturkommission vertretenen Fraktionen Namensvorschläge einbringen. Unsere beiden Vorschläge wurden so gut aufgenommen, dass in der Kulturkommission und anschließend durch Abstimmung in der Bezirksvertretung beschlossen wurde, den Wieningerplatz nach Regine Landeis und zusätzlich den neu entstanden Park in der Langauergasse nach Helga Pollak-Kinsky zu benennen.

Mit den Parkbenennungen werden diese eng mit Rudolfsheim-Fünfhaus verbundenen Frauen erneut in die Bezirksgeschichte eingeschrieben. Gleichzeitig verweisen wir auf Frauengeschichten aus unserem Bezirk, die bis heute nachwirken und erinnern an das bis 1938 existierende vielfältige jüdische Leben in Rudolfsheim-Fünfhaus.

Regine Landeis (1852 – 1912)

Wohltäterin, Stifterin eines Gemeindezentrums und Vereinsfunktionärin

Regine Steinherz heiratete 1870 in der Synagoge in der Großen Schiffgasse (Wien II) den aus Pesth stammenden Taschner Leopold Landeis, der als Wäschehändler tätig war und 1908 verstarb.

Das Leben der Familie Landeis war eng mit der Gemeinde Sechshaus verbunden. Hier kaufte Regine Landeis im Jahr 1906 das vormalige Schulgebäude in der Herklotzgasse 21 und stellte es jüdischen Vereinen zu Verfügung. Ein 1906 datiertes Relief über dem Portal des Hauses zeigt die Stifterin, die einem Mädchen eine nicht näher zu definierende Gabe überreicht. Diesem Bild entsprechend widmeten sich die ersten hier tätigen Vereine insbesondere, aber nicht ausschließlich, der Kinderfürsorge. Gleich nach dem Ankauf des Hauses durch die Stifterin waren hier ein jüdischer Knabenhort mit 49 und ein Mädchenhort mit 65 Schulkindern sowie ein Verein zur Ausspeisung armer jüdischer Kinder tätig. 1909 erhielt der Ausspeisungsverein zudem eine „sanitätspolizeiliche Bewilligung zum Betriebe eines Asyls zur Beherbergung armer israelitischer Waisenkinder“. Eingerichtet wurde das Waisenhaus für 30 Kinder im Rahmen der Fürsorgetätigkeit der Israelitischen Kultusgemeinde Wien.

Im vormaligen Turnsaal der Schule bestand der zionistisch ausgerichtete „Jüdische Turnverein in Fünfhaus“, ab 1926 Turnverein „Makkabi“. Seit 1906 fanden im Saal des ersten Stocks, der jahrzehntelang das Herz des Vereinshauses und einen wichtigen Treffpunkt der jüdischen Gemeinde darstellte, auch Vorträge und Unterrichtskurse für Erwachsene statt. Den Vorträgen, zu denen 200 bis 300 Personen kamen, schlossen sich musikalische Veranstaltungen an.

Im Jahr 1912 verstarb Regine Landeis. Das Haus in der Herklotzgasse 21 vererbte sie dem Ausspeisungsverein, der es bis zur „Arisierung“ 1938 besaß.

Helga Pollak-Kinsky (1930 – 2020)

Helga Pollak wuchs in Wien als Tochter von Otto Pollak (1894–1978), Mitbesitzer des Konzertcafés Palmhof in der Mariahilfer Straße 135, auf. (Mehr zu unserem Erinnerungsprojekt „Café Palmhof“ findet ihr hier.) Im Januar 1943 wurde sie mit ihrem Vater in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort begann sie ein Tagebuch zu führen, welches 2014 veröffentlicht wurde. Am 23. Oktober 1944 wurde sie in das Konzentrationslager Auschwitz verschleppt und von dort zur Zwangsarbeit (Munitionsherstellung) in ein Außenlager des KZ Flossenbürg verlegt. Im April 1945 kam sie wieder nach Theresienstadt, wo sie mit ihrem Vater die Befreiung erlebte.

1946 zog sie zu ihrer Mutter nach London und besuchte dort ein College. 1951 heiratete sie einen aus Ostpreußen stammenden jüdischen Emigranten, der sich in der Zeit des Nationalsozialismus nach Bangkok gerettet hatte. Sie bekamen zwei Kinder, lebten in Bangkok und Addis Abeba und kehrten 1957 nach Wien zurück.

Helga Pollak-Kinsky war aktives Mitglied der International Alliance of Women. Die tschechisch-amerikanische Dokumentarfilmerin und Theresienstadtüberlebende Zuzana Justman drehte zwei Filme für die Helga Pollak-Kinsky interviewt wurde: „Terezín Diary“ (1989) und „Voices of the Children“ (1997). Helga Pollak-Kinsky erhielt 2013 das Bundesverdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland. Im Januar 2014 wurde sie von den Vereinten Nationen eingeladen, bei der Holocaustgedenkfeier in Genf zu sprechen. Im April 2016 wurde sie mit dem Goldenen Verdienstzeichen des Landes Wien ausgezeichnet.